Liberalisierung des europäischen Eisenbahnmarktes

Die Liberalisierung des europäischen Eisenbahnsektors begann 1991 mit der Veröffentlichung der Richtlinie 91/440/EWG, die darauf abzielte, den Wettbewerb und die Effizienz in der Branche zu steigern. Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union im Jahr 1995 wurde diese Richtlinie in nationales Recht überführt, was den Grundstein für eine Reihe von grundlegenden Reformen im Eisenbahnwesen legte.

Entwicklung des europäischen Eisenbahnmarktes

Erstes Eisenbahnpaket

Das 2001 eingeführte Erste Eisenbahnpaket bildete die Basis für das moderne europäische Eisenbahnsystem. Die wichtigsten Richtlinien dieses Pakets sind:

  • Richtlinie 2001/12/EG – Förderung der Entwicklung von Eisenbahnunternehmen innerhalb der Gemeinschaft.
  • Richtlinie 2001/13/EG – Regelung der Zulassung von Eisenbahnunternehmen.
  • Richtlinie 2001/14/EG – Management und Zuweisung von Fahrwegkapazitäten.

Zweites Eisenbahnpaket

Das 2004 verabschiedete Zweite Eisenbahnpaket konzentrierte sich auf die Verbesserung der Sicherheit und Interoperabilität des Eisenbahnverkehrs in Europa:

  • Richtlinie 2004/49/EG – Einführung eines einheitlichen Sicherheitsstandards.
  • Richtlinie 2004/50/EG – Förderung der Interoperabilität des Eisenbahnsystems.
  • Richtlinie 2004/51/EG – Öffnung des europäischen Güterverkehrsmarktes.
  • Verordnung 881/2004 – Gründung der Europäischen Eisenbahnagentur zur Unterstützung der Integration des Eisenbahnnetzes.

Drittes Eisenbahnpaket

Das Dritte Eisenbahnpaket aus dem Jahr 2007 stellte die Weichen für die Marktöffnung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs und legte neue Standards für Fahrgastrechte fest:

  • Richtlinie 2007/58/EG – Liberalisierung des internationalen Schienenpersonenverkehrs.
  • Richtlinie 2007/59/EG – Einführung des europäischen Lokführerscheins.
  • Verordnung 1370/2007 – Regelung öffentlicher Personenverkehrsdienste.
  • Verordnung 1371/2007 – Stärkung der Fahrgastrechte und -pflichten.

Viertes Eisenbahnpaket – Politische Säule

Das Vierte Eisenbahnpaket (2016) führte den Marktöffnungsprozess fort und stärkte die Regulierungskapazitäten der Mitgliedstaaten:

  • Richtlinie (EU) 2016/2370 – Marktöffnung für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste und Infrastrukturmanagement.
  • Verordnung (EU) 2016/2338 – Marktöffnung für nationale Schienenpersonenverkehrsdienste.
  • Verordnung (EU) 2016/2337 – Aufhebung der Verordnung (EWG) 1192/69 zur Normalisierung der Konten der Eisenbahnunternehmen.

Viertes Eisenbahnpaket – Technische Säule

Die technische Säule des Vierten Eisenbahnpakets zielte auf die Harmonisierung technischer Standards und die Verbesserung der Sicherheit:

  • Verordnung (EU) 2016/796 – Schaffung der Europäischen Eisenbahnagentur.
  • Richtlinie (EU) 2016/797 – Verbesserung der Interoperabilität des europäischen Eisenbahnsystems.
  • Richtlinie (EU) 2016/798 – Weiterentwicklung der Eisenbahnsicherheit.

Stärkung des Wettbewerbs und Marktöffnung

Mit der Richtlinie 2012/34/EU, auch bekannt als „Recast“ des Ersten Eisenbahnpakets, wurde die Grundlage für einen einheitlichen europäischen Eisenbahnraum geschaffen. Diese Richtlinie konsolidierte und überarbeitete die zuvor geltenden Vorschriften, um die Wettbewerbskraft zu erhöhen und die Befugnisse der Regulierungsbehörden zu stärken. Sie wurde bis zum 16. Juni 2015 in nationales Recht umgesetzt.

Die Verordnung (EU) 2016/2338 trat am 24. Dezember 2017 in Kraft, während die Richtlinie 2016/2370 bis zum 25. Dezember 2018 von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden musste.

Auswirkungen auf das österreichische Eisenbahnwesen

Um die organisatorische Trennung von Infrastruktur und Transportbetrieb zu gewährleisten, wurden die vormals monopolistischen Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) in eine Holdingstruktur umgewandelt. Die ÖBB-Infrastruktur AG ist für den Betrieb der Infrastruktur verantwortlich, während die ÖBB-Personenverkehr AG und Rail Cargo Austria AG eigenständig im Personen- und Güterverkehr agieren.

Die Liberalisierung auf europäischer Ebene führte in Österreich zur Öffnung des nationalen Schienennetzes für Drittanbieter im Jahr 1998. Um einen fairen Netzzugang für Personen- und Güterverkehr zu gewährleisten, wurde 1999 die Schienen-Control GmbH als nationale Regulierungsbehörde gegründet. Seit ihrem operativen Start im Jahr 2000 fungiert sie als Anlaufstelle für Eisenbahnunternehmen und Fahrgäste.